Erna Schneider (Stanislova Ona Gražulytė-Dabulevičienė)

Erna Schneider

Erna Schneider

Stanislova Ona Gražulytė-Dabulevičienė

 

Ich habe die ganze Zeit gewusst, dass A. Hitler ein schlechter Führer war. Er hat sein Volk auf dem Gewissen. Anders konnte es nicht sein.

 

Erna Schneider wurde an 17. April 1936 im ostpreußischen Gumbinnen als Tochter des Lehrerehepaars Friedrich und Erna Elsbeth Schneider geboren. Erna hatte eine ältere Schwester, Frieda (geb. 1932) und einen Bruder Andreas (geb. 1940).

Mit Beginn des 2. Weltkriegs wurde ihr Vater Friedrich Schneider zum Luftwaffenstützpunkt beordert und musste Militärflugzeuge fliegen. Zwischen 1943 und 1944 erfuhr die Familie, dass sein Flugzeug bei Leningrad (heute St. Petersburg) abgeschossen wurde und Friedrich Schneider dabei umgekommen war. Seine Grabstätte ist nicht bekannt. Erna erinnert sich: „Meine Mutter erhielt die Information, dass sie über Leningrad geflogen waren und beschossen wurden. Sie sind dann mit Fallschirmen abgesprungen und wurden dabei abgeschossen. Ihr Grab ist im Wasser bei Leningrad.“ Als im Januar 1945 die sowjetische Armee in Ostpreußen einmarschierte, versuchte Erna Elsbeth Schneider mit den Kindern zum Haus ihres Mannes in der Nähe von Tilsit zu gelangen, doch sie wurden von sowjetischen Soldaten aufgehalten, nach Gumbinnen zurückgeschickt und in einer ehemaligen Schule eingesperrt. Dort wurde Erna Elsbeth Schneider von ihren kleinen Kindern getrennt. „Sie haben uns die Mutter weggenommen. Die Schwester hat immer gefragt, wo die Mama ist, aber die Mama ist nicht zurückgekommen. Wir haben drei Nächte gewartet. Als sie dann zurückkam, was sie erschöpft und abgemagert. Am Morgen haben Soldaten sie wieder abgeführt. Sie ist nicht mehr zurückgekehrt. Wir wissen nicht, wo die Russen sie ermordet haben und wo sie begraben ist.“

Einige Tage später wurden Erna, Frieda und Andreas zusammen mit anderen in Viehwaggons zusammengepfercht und der Zug setzte sich bald darauf in Bewegung. Wohin sie fuhren, wussten sie nicht. Als der Zug noch in Litauen (unweit von Kazlų Rūda) einen Zwischenstopp machte, hat ein Unbekannter den Waggon aufgesperrt und einige der deutschen Waisenkinder, unter ihnen auch Erna, Frieda und Andreas, heimlich befreit. Damit begann ihre Irrwanderung durch die litauischen Dörfer. Drei Waisen, der Sprache nicht mächtig, konnten bei fremden Menschen nicht lange Obdach erhalten, daher zogen sie von einem Dorf zum nächsten. Sie versuchten, immer zusammen zu bleiben, damit keiner von ihnen verlorengeht. Einige Monate lebten sie in einem Dorf in der Nähe von Vilkaviškis bei der Dilginaitienė. Danach wurden sie nach Pavištytis (heute Rajongemeinde Vilkaviškis) zur Familie von Albinas und Anelė Kinderiai gebracht. Dort lebten sie ungefähr drei Jahre. Jonas Kinderis, der Vater von Albinas, kümmerte sich sehr viel um die Kinder und brachte ihnen Litauisch bei. Später kamen sie zu Julius und Ona Gražuliai nach Gluosninkai (heute Rajongemeinde Alytus). Die beiden nahmen Erna, Frieda und Andreas als Pflegekinder auf. Die Kinder erhielten ihre Nachnamen und litauische Vornamen. Aus Erna wurde Stanislova Ona, aus Frieda Janina und aus Andreas Algirdas. Als sie älter wurden, halfen sie auf dem Hof aus: sie hüteten Gänse, fütterten Schweine und passten auf die kleinen Kinder auf. Ein regulärer Schulbesuch war ihnen verwehrt, da sie bei dem geringsten Verdacht die Schule wieder verlassen mussten. Es kam häufiger vor, dass sie sich vor den stribai [Kollaborateure der Sowjets], die überall nach „Resten der deutschen Faschisten“ suchten, verstecken mussten.

1954 oder 1955 kam Stanislova Ona Gražulytė nach Kapsukas (heute Marijampolė). Dort passte sie auf die Kinder des Arztes Simonas Daukantas auf. Als sich die Gelegenheit ergab, besuchte Stanislova Ona zwei Jahre lang die Abendschule und absolvierte schließlich auf Anraten von S. Daukantas einen achtmonatigen Schwesternkurs. Sie erhielt eine Stelle im Rotes Kreuz Krankenhaus Panemunė (Kaunas) und später im Klinikkrankenhaus Kaunas.

1962 heiratete sie Bronislavas Dabulevičius. Die beiden bekamen zwei Töchter. 1988 ließ sich die Familie in Smalininkai (Rajongemeinde Kalvarija) am Ufer des Orija-See nieder.

Ihre Schwester Frieda Schneider (Janina Gražulytė) und ihr Bruder Andreas Schneider (Algirdas Gražulis) erhielten ebenfalls eine Ausbildung, ergriffen einen Beruf und gründeten schließlich eigene Familien.

Nach Wiedererlangung der litauischen Unabhängigkeit begann Stanislova Ona Gražulytė-Dabulevičienė ihre Wurzeln und ihre Angehörigen zu suchen. „Erst ab 1992 stellte sich nach und nach heraus, wie unser eigentlicher Nachname lautete, wo und wann wir geboren waren. Da erfuhren wir auch, wie unser Vater und unsere Mutter hießen.“

Am 6. Mai 2009 wurde Stanislova Ona Dabulevičienė der Rechtsstatus als Besatzungsofer (ehemals obdachloses Kind) zuerkannt.

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