Rudolf Herzmann
Jurgis Volkauskas
„Ich war ein Arbeitsgaul. Niemand liebte mich, tröstete mich oder hatte Mitleid mit mir. Das war das Joch, das ich zu tragen hatte.“
Rudolf Herzmann wurde am 23. Mai 1932 im ostpreußischen Mauenfeld als Sohn von Egon und Erna Herzmann geboren. Am 25. September 1933 kam seine Schwester Christel zur Welt.
1938 wurde Rudolf eingeschult, musst den Schulbesuch aber zu Kriegsbeginn wieder einstellen.
Als der 2. Weltkrieg begann, wurde auch Egon Herzmann eingezogen. 1944 begab sich Erna Herzmann mit den Kindern und anderen Menschen auf die Flucht vor der Roten Armee. Ihre Familie gelangte schließlich nach Palmnicken an der Ostsee. Das war im Frühjahr 1945. Dort nahm man ihnen die Pferde, den Wagen und alle Wertgegenstände ab und befahl ihnen, umzukehren. Auf dem Rückweg wurden sie ohne Unterlass angegriffen und beraubt, die Frauen und Mädchen wurden vergewaltigt. Rudolf Herzmann erinnert sich: „Auch meine Mutter musste viel über sich ergehen lassen. Zu guter Letzt haben wir sie verloren. Eines Morgens ist ein Auto angefahren gekommen. Soldaten sind herausgesprungen und haben die arbeitsfähigsten Frauen herausgepickt. Die wollten sie zum Gräben ausheben schicken. So wurden wir getrennt.“ Im Frühjahr 1945 fanden Rudolf und Christel ein Haus, in dem sie mit den Großeltern und einer Tante fast ein Jahr leben konnten. Dann wurden sie abermals davongejagt. „Wir wurden in eine Stadt in der Nähe gebracht und in Baracken untergebracht. Da mussten wir arbeiten, ohne irgendeine Verpflegung zu erhalten. Wir haben alles gegessen, was wir nur finden konnten: Kartoffelschale, Gemüse, Frösche, Katzen und Aas. Die Großeltern und die Tante sind schließlich verhungert. Wir haben sie in einem unweit gelegenen Wald begraben.“ Die Schwester kam schwerkrank ins Krankenhaus.
Im Mai 1947 beschloss Rudolf, damals 15 Jahre alt, nach Litauen zu fahren. Er versteckte sich in einem Güterwaggon und gelangte auf dieses Weise nach Pilviškiai (heute Rajongemeinde Vilkaviškis). Dort fand er Obdach bei einer Frau, die jedoch nach drei Monaten starb. Da musste er wieder betteln gehen. So gelangte er in das Dorf Obelinė (heute Šunskai, Rajongemeinde Marijampolė). „Ich landete dann bei dem Bauern Antanas Lutvaitis. Der Bauer hatte Mitleid mit mir und ließ mich bei sich arbeiten. Das waren harte Zeiten damals, und die Menschen lebten voller Angst. In den Wäldern hockten die Partisanen, und in den Dörfern trieben sich betrunkene stribai [Kollaborateure der Sowjets] herum.“ Beim Kühe weiden im Wald war er einmal Partisanen begegnet. Daraufhin wurde er festgenommen, nach Kapsukas (heute Marijampolė) gebracht und dort einem brutalen Verhör unterzogen, weil man von ihm die Nachnamen der Partisanen erfahren wollte. Drei Tage später brachte man ihn zerschunden wieder zu Antanas Lutvaitis zurück. Von da an war er unter ständiger Beobachtung.