Olaf Pasenau
Jonas Balsys
„Vielleicht war ich zu klein um zu begreifen, dass ich mein Zuhause und meine Heimat verloren hatte. Dass vor mir nur die Straße, Kälte, Hunger und eine unbeschreibliche Sehnsucht lagen. Sehnsucht nach der Mutter, der Schwester, dem Vater und einem Königsberg, dass es niemals mehr geben würde. Damals ist auch meine Kindheit gestorben. Sie ist verhungert.“
Olaf Pasenau wurde am 16. Oktober 1934 im ostpreußischen Allenstein (heute Olsztyn) als Sohn von Bruno und Martha Pasenau geboren. Olafs Schwester Ingeborg kam vermutlich 1928 zur Welt.
Olafs Vater Bruno war Oberstleutnant, seine Mutter Hausfrau. Als die Kinder bereits etwas größer waren, zog die Familie nach Königsberg, wo sie eine Dienstwohnung auf dem Kasernengelände erhielten.
Als der 2.Weltkrieg begann, wurde Bruno Pasenau an die Front geschickt.
Martha Pasenau blieb mit den Kindern allein zurück. Als sie evakuiert werden sollten, beschloss sie, nur ihre Tochter Ingeborg zu den Eltern nach Osterode zu schicken. Von dort aus kam Ingeborg später nach Frankfurt am Main. Martha Pasenau blieb mit ihrem Sohn in Königsberg, weil sie auf Nachricht von ihrem Mann hoffte. Olaf erinnert sich: „Wir warteten immer noch auf den Vater. Dann schrieb er uns, dass er bei Stalingrad (heute Wolgograd) eingekesselt sei. Meine Mutter hat damals sehr geweint. Wir haben immer die Namen der Gefallenen durchgesucht, aber seinen Namen nicht gefunden. Ende 1944 erfuhren sie schließlich, dass Bruno Pasenau vermisst sei.
Im Januar 1945 hatte die Rote Armee Königsberg umzingelt und an Flucht war nicht mehr zu denken. Olaf und seine Mutter fanden sich dem Wüten der sowjetischen Soldaten und dem ersten Hungerwinter ausgesetzt. Zusammen mit anderen wurden sie in ein umzäuntes Lager geschickt und dort festgehalten. Olaf erinnert sich: „Die Menschen starben wie die Fliegen. Sie wurden ohne Sarg, ohne Gebete oder Tränen in Bombenkratern begraben. Zu mehr fehlte den Menschen die Kraft. Sie bekamen nasses Brot zu essen, von denen sie an Bauchtyphus erkrankten und einer nach dem anderen starben.“
1946 verhungerte Olafs Mutter Martha in diesem Lager. Ein alter Mann, der dort die Leichen sammelte, lud sie auf seinen Karren und brachte sie weg. Olaf war damals selbst sehr krank, doch er schaffte es am nächsten Tag dahin zu gelangen, wo seine Mutter „begraben“ worden war. „Das grauenhafte Bild werde ich nie vergessen. Eine Grube mit Frauen, Alten und Kindern. Skelette. Leichen mit Spuren der Folter. “ Da beschloss er zu fliehen. Er kam zu dem Bahnhof, wo seine Mutter eine Zeit lang Waggons gereinigt hatte. „Das war der neunte Waggon des Zugs Moskau – Königsberg, Die Zugbegleiter waren ältere Weißrussen.“ Diese Leute nahmen Olaf mit nach Weißrussland. Er blieb drei Monate bei ihnen und kehrte dann zurück: „Ich bin dann wieder nach Königsberg zurückgefahren. Ein zwölfjähriger Junge, für den niemand Verwendung hatte. Ich habe in Gräben geschlafen. Schließlich landete ich im Lager Ponarth.“
Dann wurden alle Kinder eingefangen und in Waggons gepfercht, unter ihnen auch Olaf. Er konnte jedoch aus dem Waggon springen und befand sich in Litauen, in der Gegend um Vilkaviškis wieder. Das war im Frühjahr 1947. „Ein fremdes Land, es war nass und kalt, und ich kannte die Sprache nicht.“ Manche Menschen gaben ihm zu essen, andere jagten ihn davon.